Kindergeld ist unsozial und rassistisch!

Ich habe vor einiger Zeit die Mailingliste vom Bundesministerium für Familie, Soziales und Jugend abboniert.

Man möchte ja auf dem Laufenden sein und auch bleiben. Der Großteil dieser Mails ist in den Papierkorb gewandert bzw. wurde ungelesen erstmal zwischengelagert.

Jetzt habe ich mir nach etwas längerer Zeit mal die Mail zum Elterngeld vorgenommen. Schauen wir uns diese mal an.

Das Bundesfamilienministerium stellt klar: Die Meldung, dass 340.000 Eltern durch
das Elterngeld benachteiligt seien, trifft nicht zu.

Merken wir uns bitte diese Zahl!

Bisher ist es so, dass mit der Geburt eines Kindes die Familie wächst und das
Einkommen schrumpft oder ganz wegfällt. Das Elterngeld fängt diesen
Einkommensverlust der Familien im ersten Lebensjahr des Kindes bis zu 100 Prozent
auf. Es ändert nichts daran, dass Familien für ihren Lebensunterhalt
grundsätzlich selbst verantwortlich sind. Das Elterngeld ist im Gegensatz zu
Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II keine Sozialleistung des Staates. Es steht
für einen Perspektivwechsel in der Familienpolitik. Das Elterngeld geht somit
über das Prinzip der Bedürftigkeit hinaus und orientiert sich am
Einkommensersatz. Der Bedarf der Familien, die auf staatliche Leistungen
angewiesen sind, wird dagegen im Fürsorgesystem ausreichend mit dem
Arbeitslosengeld II, Sozialgeld für Kinder oder der Sozialhilfe gedeckt.

Nochmal zur Verdeutlichung: trotz aller Beteuerungen, dass Familien gefördert werden sollen, wird noch einaml darauf hingewiesen, dass das Elterngeld eine freiwillige, zusätzliche Leistung des Staates ist. Jede Familie ist grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, ihren Unterhalt zu bestreiten.

Dies ist sachlich natürlich komplett richtig, aber zeigt für mich deutlich auf, welchen Weg unsere Bundesregierung hier einschlägt.

Den Hinweis auf die ausreichende Versorgung durch Ersatzleistungen wie Arbeitslosengeld u.ä. empfinde ich übrigens als Hohn.

Aber weiter im Text.

Das Elterngeld ist eine familienpolitische Leistung, die in der kritischen Zeit
nach der Geburt eines Kindes einen Schonraum für junge Mütter und Väter schafft.
Die jungen Eltern können sich ohne finanzielle Sorgen Zeit nehmen, in ihre Rolle
hineinzuwachsen. Kern des Elterngelds ist deshalb die Einkommensersatzleistung in
Höhe von 67 Prozent des durch die Betreuung des Kindes wegfallenden Erwerbseinkommens.

Für Familien mit einem mittleren bis hohen Einkommen sind diese 67% natürlich deutlich mehr als für eine Kassiererin oder Friseurin. Hier wird wieder massivst eine Politik der Besserverdienenden betrieben. Von Gleichheit keine Spur.

Allen Familien ist ein Mindestbetrag von 300 Euro unabhängig
von einer vorherigen Erwerbstätigkeit garantiert, wenn sie Zeit in die Betreuung
des Kindes investieren und nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Wenn
der Partner sich beteiligt und seine Erwerbstätigkeit ebenfalls einschränkt,
werden zwei weitere Monate Elterngeld gezahlt.

Wer also sowieso schon keine Geld hat, darf jetzt zusätlich auch nicht arbeiten gehen, wie er/ sie möchte! Und wenn der Partner seinen unterbezahlten Job aufgibt, gibts noch zwei weitere Monate Kohle für Lau.

Wir sehen: ein lohnendes Geschäft!

Falsch ist, dass 340.000 Familien im zweijährigen Erziehungsgeldbezug
       durch das Elterngeld verlieren würden. 155.000 Familien mit einem
       Einkommen unter 30.000 Euro netto erhalten weniger Elterngeld, als ihnen
       bisher für zwei Jahre Erziehungsgeld zustehen würden. Dies liegt an der
       Verkürzung des Bezugszeitraumes von 24 auf 12 oder 14 Monate.

Bitte mitrechnen: 155.000 Familien erhalten weniger als vorher durch die Verkürzung des Bezugzeitraumes.

Dagegen stehen 200.000 Familien mit kleinen und mittleren Einkommen
       zwischen 30.000 und 60.000 Euro Jahreseinkommen netto. Sie erhalten mehr
       Geld, als ihnen mit dem bisherigen Erziehungsgeld zustehen würde.
Darunter sind ebenfalls:
       165.000 Familien mit Jahreseinkommen über 60.000 Euro netto jährlich
       profitieren vom Elterngeld. Sie erhalten erstmals einen Einkommensersatz
       bzw. das Mindestelterngeld in Höhe von 300 Euro.

Wie schon gesagt: wer hat, dem wird auch noch mehr gegeben.

94.000 Empfänger von Arbeitslosengeld II erhalten künftig zwölf Monate
       Elterngeld, nicht mehr 24 Monate Erziehungsgeld. Diese politische
       Entscheidung wird von den Regierungsfraktionen getragen. Gemeinsames Ziel
       ist es, die für diese Personengruppe hohe Schwelle in den Arbeitsmarkt zu
       senken, und schnell in Arbeit zu vermitteln. Der Bedarf dieser Familien
       wird weiterhin über Arbeitslosengeld II und Sozialgeld für Kinder gedeckt.

´Sie haben mitgerechnet?

Richtig: 155.000 Geringverdienende plus 94.000 ALGII – Empfänger machen 249.000 Familien, die durch die Einführung der neuen Kindergeldregelung verlieren.

Ich möchte nocheinmal folgendes zitieren:

Dagegen stehen 200.000 Familien mit kleinen und mittleren Einkommen
       zwischen 30.000 und 60.000 Euro Jahreseinkommen netto. Sie erhalten mehr
       Geld, als ihnen mit dem bisherigen Erziehungsgeld zustehen würde.

Zusammenfassend kann man also folgendes sagen: diese Zaheln, die vom Fraunhofer Institut zusammengetragen wurden, widersprechen tatsächlich der Meldung von 340.000 Verlierern. Allerdings sind 249.000 auch kein Pappenstiel. Und das ist die Zahl, die die Bundesregierung selbst zugibt! Hinzu kommen rund 200.000 Familien, die sowieso kein schlechtes Einkommen haben und nun noch durch diese Regelung bessergestellt werden.

Damit kein falscher Eindruck ensteht, ich werde auch eher zu den Gewinnern zählen als zu den Verlierern.

Diese Regelung ist sozial ungerecht.

Nehmen wir dies zusammen mit den Erkenntnissen über das deutsche Bildungswesen, zeigt sich, dass hier kein Interesse besteht, das soziale Gefüge durchlässiger nach oben zu gestalten. Wer unten steht, wird auch unten gehalten. Hier wird bewusst eine Zwei – Klassen – Gesellschaft gefördert.

Statistisch gesehen profitieren damit nur native, akademisch – gebildete Deutsche. Dieses Gesetz ist damit nicht nur sozial ungerecht sondern auch rassistisch.

Für mich sind damit nicht 340.000 Familien benachteiligt, auch nicht 249.000, sondern rund 80.000.000 Menschen die in Deutschland leben. Denn verlieren tun wir alle! 

Zum Schluss eine kleine Anmerkung:

auf WDR 2 habe ich neulich gehört, dass die Zahl der politisch – motivierten Straftaten zugenommen hat. Und zwar am stärksten aus dem linken Spektrum. Ich deute dies als Symptom für eine Gesellschaft, die immer unzufriedener wird und ihren Unmut notfalls auch mit Gewalt kundtut. Dies kann man bewerten wie man möchte. Aber vielleicht entwickelt sich ja daraus eine neue soziale Bewegung, die dringend notwendige Veränderungen forciert.

Ich hoffe es jedenfalls.

4 Kommentare zu „Kindergeld ist unsozial und rassistisch!

  1. Es ist wohl leider so, dass unser System nicht aus sich heraus verändert werden kann; wie eigentlich alle Systeme ist es auf Selbsterhalt aus. Forderungen wie vom DM-Chef im Spiegel, alle Steuern mit Ausnahme einer – dann hohen – Mehrwertsteuer abzuschaffen, sind zu radikal, als dass sie realistisch wären (ohne Bewertung, ob es etwas nütze).

    Kürzlich habe ich einen Bericht über Mikrokredite gesehen, bei denen Kreditnehmer sehr geringe Geldsummen entleihen, um sich selbständig machen zu können, vorrangig in Drittweltländern. Obwohl durch das System – je 5 Personen haften füreinander – eine bessere Rückzahlungsquote als bei normalen Krediten entstand, wollten Banken damit nichts zu tun haben.

    Die Ungerechtigkeit in Deutschland ist ja nur ein Spiegel der Ungerechtigkeit in der Welt. Beides ist theoretisch nicht notwendig, praktisch anscheinend unverzichtbar.

    Oder?

  2. Als ich angefangen habe, mich für Politik zu interessieren, war ich ungefähr 15. Damals war ich natürlich Punk, Autonomer, auf jeden Fall links. Mein Politikverständnis reduzierte sich auf einen diffusen Anarchismus und ein Gefühl von „wir hier unten gegen die da oben“.
    Dann habe ich angefangen mich etwas differenzierter mit dem politischen Geschehen um mich herum zu beschäftigen. Gewaltfreiheit, Basisdemokratie und Bildung für die Masse wurden da immer mehr zu meinen Prinzipien. Ich dachte, man könnte das System aus sich selbst heraus verbessern. Durch Wahlen, Information und politische Betätigung z.B. in den „richtigen“ Parteien.
    Heute, nachdem ich mich nun seit gut. 15 Jahren mit diesen Themen auseinandersetze, stelle ich immer mehr fest, dass das System sich nicht ändern lässt. Zumindest nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe.
    Für die letztendliche Konsequenz daraus, fehlt mir im Moment noch die Einsicht oder der Mut. Denn ich glaube immer noch: Gewalt sollte eigentlich keine Lösung sein.
    Oder?

  3. Es geht anders. Aber nur schwer.

    im TV war ein Film: „Mehr Gerechtigkeit“ (eine Reihe? Glaube nicht) über Personen, die tatsächlich dabei sind, ihre Vorstellungen von einem besseren System unzusetzen. Leider hauptsächlich in der dritten Welt.

    Ebenfalls leider kann man große Systemänderungen aber wohl nur erzwingen, und der Zwang muss anscheinend durch Gewalt oder deren Androhung erfolgen. Eine Revolution aber macht man nicht alleine, und meistens führt sie auch kaum zu besseren Entwicklungen. Der Kapitalismus ist ein starkes System, dass an sich ja auch gut und hilfreich sein könnte, aber zu ungesteuert benutzt wird.

    Einem Polizisten eine runterzuhauen, eine RWE-Filiale kaputthauen oder auch die Kanzlerin ermorden bringt aber nix.

    Letzten Endes kann man nur für sich selbst entscheiden, dem System nicht alles unterzuordnen und eigene Wege zu gehen. Mit Glück kann man ein Vorbild und Beispiel sein, und tritt vielleicht was los.

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